Nach 7 Tagen in Guatemala setzte ich mich nun erstmals hin, um meine Eindrücke sacken zu lassen. Nachdem ich am 11.02. um 21 Uhr Ortszeit in Guatemala-Stadt gelandet bin, holte mich die Schulgründerin/Managerin Brunhilde „Bruni“ de Grajeda am Flughafen ab. Die Fahrt zur Schule dauerte ungefähr eine Stunde und offenbarte erste Eindrücke vom Land, die sich später im hellen noch bestätigen sollten.

Die Infrastruktur ist marode, die Sicherheitslage erscheint einem Europäer prekär. Jedes Privatgebäude besitzt eine hohe Mauer, die mit Nato-Draht gekrönt ist. Ärmere Haushalte betonieren zersplitterte Flaschen in die oberste Steinreihe ein. Ich sah mehrere Grundstücke, die eine ebensolche Mauer besaßen und so die im inneren liegende Wellblech-Holzhütte schützten. Sicherheit geht hier vor Komfort.

Die vorherrschende Möglichkeit einzukaufen sind Tiendas (in Deutschland wären es wohl Tante-Emma-Läden) die alle paar Meter an der Straße stehen und die Bevölkerung mit dem nötigsten versorgen. Da diese Läden aber primär alle das selbe verkaufen (und kaum Frischware anbieten), gibt es noch Supermärkte und Wochenmärkte. Wie jedes größere Geschäft werden die Supermärkte rund um die Uhr von Polizisten mit schwerer Bewaffnung und schusssicherer Weste bewacht. Spricht man mit ansässigen Ausländern oder freundlichen Einheimischen wird man stets vor Überfällen gewarnt.

Zur Verteidigung des Landes muss ich gestehen, dass ich jetzt einiges gesehen habe, jedoch noch keine Form von Kriminalität. Im Gegenteil: In der Regel begegnet man (bei aller Vorsicht) freundlichen hilfsbereiten Menschen. Später mehr zu den positiven Aspekten.

In der Schule angekommen, bezog ich meine Unterkunft. Mit deutschen Maßstäben kommt man hier nicht weit, deshalb sollten man sehen was man hat und das Vergleichen vermeiden. Ich bin Herr über mein eigenes Bett, eigene Dusche, Toilette und einen eigenen Kühlschrank. Verteidigt man sein Domizil, unter Einsatz eines chemischen Arsenals, gegen die heimische Tierwelt verteidigt, kann man hier gut leben.

Am ersten Tag wurde mir eine Schulbesichtigung zu Teil, inklusive des neuen Oberstufengebäudes, welches von der Spendengruppe Heid mit gestiftet wurde. Das Gebäude ist zum großen Teil fertig. Einige Türen fehlen noch, und die Hälfte des Daches des Lichtflurs. Diese werden jetzt nach und nach vom Schulhausmeister „Denno“ installiert. Trotz des fehlenden Bauabschlusses beherbergt das moderne Gebäude schon jetzt den Unterricht der fünf Oberstufenklassen (Basico).

Der nächste Tag lief anders als erwartet. Zum einen um Land und Leute kennen zu lernen und zum anderen um meine Dolmetscherinnen kennen zu lernen wurde ich morgens um Vier Uhr nach Guatemala-Stadt gefahren, und von einem netten, völlig unbekannten Guemalteken mit Schnäuzer und Hut, in einen Bus gesteckt, der mutmaßlich in Richtung Panajachel am Atilansee fahren sollte. Mit einigem Umsteigen und viel Nervositätsschweiß kam ich auch eben dort an. Busfahren in Guatemala ist eine Wissenschaft für sich. Niemals sollte man mehr Geld offenbaren als die Fahrt kostet (3h, ca. 7 Euro). Die Busse halten quasi überall wo Menschen stehen und versuchen diese nach dem Marktschreierprinzip einzusammeln (irrelevant ob der 40Menschen fassende Bus bereits 60 Menschen beherbergt). An den Größeren Haltestellen steigen Verkäufer (vornehmlich mit Nüssen) zu, die durch den Bus gehen, Menschen nötigen Nüsse mit Limonen zu kaufen, um dann bei Tempo 70, samt Sack voll Nüssen, aus der Heckklappe zu springen. Apropos Tempo, die Busse sind die Könige der Straße. Fahren immer 90 Sachen (auch in Kurven), obwohl sie alle 500m halten. Sie überholen alles und jeden, vornehmlich in Kurven.

Mit zittrigen Händen in Panajachel (Pana) angekommen offenbart sich einem ein wahnsinniges Bild. Eine von vielen kleinen Touristenoasen rund um einen riesigen See (Höhe 1500m über NN) der von drei Vulkanen gesäumt ist (jeder um die 3000m über NN). Lange Marktgassen mit Kaffees. Um sich in Ruhe über das Land und die Schule zu sprechen verbrachte ich den Tag mit meinen Dolmetscherinnen (Entschuldigung an dieser Stelle schon mal an Kathi und Lisa für die Bezeichnung) am See. Am Abend musste ich feststellen, dass ich mir den häftigsten Sonnenbrand meines Lebens eingehandelt hatte. Dieser quält mich noch heute, fünf Tage später. Übernachten im Hostel- 50 Quezales (7Euro) die Nacht. Passt.

Am Sonntag, das wunderbare Wetter huldigend entschlossen Lisa und ich den San Pedro zu besteigen. 1500 Höhenmeter, Urwald-gleiche Wege und 3 Stunden Aufstieg. Gut geführt und belehrt von einem befreundeten Spanisch-Kursleiter(der ernsthaft 100 Quezales für seine 6h Zeit haben wollte) und bezahlt durch wunderschöne Natur ging der beschwerliche Aufstieg mit guter Laune von der Hand. Auf 3000m angekommen: Irrsinns-Ausblick, der Sonne so nah wie nie, Luft verdammt dünn, 15°C um 15 Uhr Nachmittags (bei 30°C am See). Dann folgten 1,5 Stunden Abstieg im Laufschritt über Stufen, quer durch Kaffeefelder. Unser Guide erzählte uns, dass diese Tour, die uns Tage übelsten Muskelkaters und zittriger Knie einbrachte, von Einheimischen Frauen zur Erntezeit, mit 100 Pfund schweren Kaffeekörben täglich absolviert werde. Wahnsinn. Es folgte die Rückfahrt nach San Juan und die Vorfreude auf den Unterricht an der Schule.

Nach einer Woche in der Schule kann ich mir nun ein gewisses Bild machen, wie es um die Schule bestellt ist. Die Einteilung ähnelt der in Deutschland. 2 Jahre Kindergarten, ein Jahr Vorschule, sechs Jahre Primera, 3 Jahre Basico. Die Ersten Abgänger sind also um die 15 Jahre alt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit 2 Jahre Batchlorato anzuhängen (vergleichbar mit dem deutschen Abitur). Das von der Spendengruppe mitfinanzierte Gebäude beherbergt die Basico- und Batchloratoklassen und soll zukünftig zusätzlich einen Computerraum erhalten (Fotos folgen).

Neben dem Unterricht haben einige Schüler die Möglichkeit sich ein Taschengeld zu verdienen indem sie Nachmittags von 2 bis 4 das Schulgelände reinigen. Somit wird eine Alternative geschaffen zur sonst anstehenden Feldarbeit und manche Schüler können so ihr Schulgeld für ihre Familien refinanzieren.

Der Unterricht ist auf den Ersten Blick dem deutschen angelehnt. Fächer wie Sprache, Mathematik, Musik, Kunst, Biologie, Englisch, Physik, Sport und Chemie stehen auf dem Stundenplan. Ebenso gibt es Anwendungsfächer wie Buchhaltung, Kochen und Handarbeit. Im Unterricht angekommen zeigt sich ein anderes Bild. Das Unterrichtsniveau ist mit dem in Deutschland nicht vergleichbar. Nach wenigen Tagen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass sich der Vergleich mit deutschen Bildungsdimensionen verbietet, wahrscheinlich auch weil die Anforderungen an die Abgänger nicht vergleichbar sind. Dennoch wird oft versucht an derartige Maßstäbe anzuknüpfen, was dazu führt, dass der Unterricht wenig Anwendungsbezogen erscheint.

Die deutlich zu flach ausgebildeten Lehrer (Anforderung Basicoabschluss + 2 Jahre Lehre) kommen oft fachlich an ihre Grenzen, da sie wohl selbst nicht den erforderlichen Unterricht genießen durften. Die besseren versuchen sich ihr Wissen aus Büchern heranzuziehen, scheitern aber manchmal am sinnhaften Transfer auf die Lebenswelt der Schüler. Zwar wird der Satz des Pythagoras erklärt, seltenst jedoch wird Bezug genommen auf irgendeine Anwendung aus Bereichen wie Architektur oder Geographie. Es scheint alles nicht didaktisch aufgearbeitet, sondern mehr wie eine strickte Vermittlung von Wissen. Naturwissenschaften wie Physik oder Chemie sind schlicht nicht sinnvoll möglich, da entsprechende Ausrüstung fehlt. Oft wird deshalb auf schlichte Mathematik verwiesen. Physikunterricht mit Termvereinfachungen (manchmal ist dem Unterricht das Fach nicht direkt anzusehen).

Äußerst erfreulich ist hingegen, was man aus Fächern wie Biologie hört, wo anwendungsbezogen (agrarwirtschaftlich) gearbeitet wird. Hier liegt, meiner Meinung nach für einen Großteil der Schüler, deutlich mehr Potenzial für ihr späteres Leben, als in Fächern wie Physik oder Chemie. Dennoch muss sich diese Schule, die den Batchlorato anbietet als Wiege der Elite verstehen, was eine Allgemeinbildung voraussetzt, die aber wie eben beschrieben nur holprig erreicht werden kann.

Als äußerst erfreulich stellt sich heraus, dass die Lehrer sehr offen für Hilfe und Kritik sind. Von einem wurde ich gar als Leibhaftige Chance für die Schüler und den Lehrer selbst vorgestellt. Enorme Vorschusslorbeeren. Bezüglich eines Naturwissenschaftlichen Themas (Elektronenkonfiguration in Atomen) bat uns [Lisa (Lebensmittelchemikerin) und mich] ein Lehrer sich mit Nachmittags treffen zu dürfen um „Nachhilfe“ zu erhalten. In von uns gehaltenem Unterricht scheint der Lehrer selbst derjenige zu sein, der am meisten mitzunehmen erhofft. Diese Einstellung macht Hoffnung, zumal mancher Unterricht nicht das gewünschte Ziel zu erreichen vermag. Mit Schülern der Abschlussklasse (mindesten 5 Jahre Englischunterricht) ist es nicht möglich sich in einfachstem Englisch zu unterhalten. Mit Ausnahme der Englischlehrerin spricht auch keiner der Lehrer eine Fremdsprache.

Mit diesen Ersten (vielleicht noch falschen) Eindrücken verabschiede ich mich bis zum nächsten Bericht.

Gruß Marvin